Grelles Pink trifft schwarzes Grau – Kapitel 1

1. Kapitel: Kais Wohnung

Im vierten Stock

Noemi zitterte noch immer, als sie im vierten Stock des Altbaus ankam und die Tür zu Kais Wohnung aufstieß.
„Habe ich erwähnt, dass du ins Erdgeschoss umziehen solltest?!“ fauchte sie und zischte an ihm vorbei in die Küche. Im Kühlschrank fand sie zwar kein Wasser, dafür aber Bier und Cola. Die bittere Flüssigkeit löste einen Hustenreiz aus, der zusammen mit ihrer Atemlosigkeit in ein krankhaftes Keuchen überging.

Kai lehnte sichtlich amüsiert im Türrahmen. „Wie immer, umwerfend charmant in Auftritt und Abgang…“
Noemi blickte auf, um sehr, sehr wütend und beleidigt etwas zu erwidern. Alles, was sie angesichts des besonderen Anblicks herausbrachte, war allerdings eine Mischung aus einem grellen Quieker und einem „Gewöhn dir an, was anzuziehen wenn du Besuch kriegst!!“

Trostsuche

Mit geschlossenen Augen tastete sie sich an der Wand entlang in sein Zimmer, warf seinen Morgenmantel hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
„Ich warte hier solange!“ Noemi ließ sich aufs Bett fallen. Da fiel ihr auch wieder ein, wie arm sie dran war. Sie zitterte, war klatschnass und traurig.

Als Kai – angezogen – den Raum betrat, hatte sie sich zusammengerollt und schluchzte theatralisch. Kai überlegte erst, ob er den Raum wieder verlassen sollte, besann sich aber dann eines besseren und kraulte ihr den Rücken.
„Erzähl, Süße. Was ist passiert?“
Und er wünschte sich, dass er das nicht gesagt hätte, denn die nächste halbe Stunde ließ Noemi sich in aller Wut über ihre Mutter aus.

Neues Heim

Nachdem Noemi sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, gab er ihr T-Shirt und Boxershorts und schickte sie ins Bad.
Das heiße Wasser tat gut auf ihrer ausgekühlten Haut, und das Shampoo von Kais Freundin roch nach Rosen und Vanille. Ihretwegen konnte er häufiger Damenbesuch mit einem Sinn für Kosmetik einladen. Bei den üblich folgenden Streitszenen, wenn sie dann wutentbrannt seine Wohnung verließen, blieb immer etwas für Noemi liegen. Als ob sie an sie denken würden.

Kais Handtücher waren alt und kratzig. Die zu Hause waren viel weicher und schöner… aber im Krieg musste man Abstriche machen.
Hier war einfach alles besser. Es war vielleicht nicht so ordentlich wie zu Hause, eigentlich war es auch ernsthaft unordentlich, aber hier würde niemand ihr sagen, was sie zu tun hatte. Und niemand würde ihr Gitarrenspiel hassen, nur, weil sie sich nicht auf Beethoven und Mozart beschränkte.

Sie atmete tief durch, setzte ihr liebstes Lächeln auf, was sie nicht oft tat, und sah ihn bettelnd an.
„Kann ich hier wohnen…? Nur ein paar Tage, wirklich!“
Kai schmunzelte. Es war doch immer dasselbe mit Noemi.


Das Team von gorizi.de bedankt sich ganz herzlich bei Honigfee für die schöne Geschichte.

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