Grelles Pink trifft schwarzes Grau – Kapitel 4


Kapitel 4: Gespräche

Elterngespräch

Immer und immer wieder atmete Noemi viel Luft ein, trat mit
hochgezogenen Schultern vor den Spiegel und sagte gewichtig: „Herr Dr.
Breitner, Noemi, meine Tochter Noemi, wollte doch nur helfen, als sie umfiel.

Es ist sehr schade, dass sie ihren Unterricht gestört hat, aber ich sehe von
einer Strafe ab.“

Dann sank sie in sich zusammen und schüttelte resigniert den
Kopf.
„Kai, das wird nie was, niemals nie!“ Sie ließ sich auf sein Sofa fallen und
starrte an die Decke. „Wieso kann der nicht einfach eine Unterschrift verlangen wie jeder andere vernünftige Lehrer auch…“

„Noemi, vielleicht solltest du einfach mit ihr reden—“

„Reden?! Meine Mutter kann nicht reden, bloß labern und
dummes Zeug verbreiten! Die hält mich für die beste Schülerin der Klasse, weil ich ihr regelmäßig meine Arbeiten aus dem vierten Schuljahr zeige, und DAS MERKT SIE NICHT!!!“

Kai wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Sie zu unterstützen wäre falsch, aber er kannte ihre Mutter nur zu gut, um zu wissen, dass jedes Wort stimmte, was Noemi sagte.

„Na komm, vielleicht kann jemand anderes sich als deine Mutter ausgeben. Wie wärs mit Cinderella?“

Ein eifriges Nicken und die leuchtenden Augen verrieten, dass Noemi seine Idee zu schätzen wusste. Cinderella war eine Obdachlose, die
Noemi regelmäßig mit Brot und anderen Dingen versorgte. Einst war sie selbst Lehrerin gewesen, bevor ihr Mann sie betrogen, verlassen und völlig geknickt vor Gericht um Haus, Auto und Kinder bestohlen hatte. Der Alkohol hatte seinen Teil dazu getan, dass sie nun in der Nähe der alten Eisenbahnbrücke lebte.

„Gib ihr n Kaffee und lad sie mal zum Frühstück ein…“

„Super Idee, Kai mein Schatzi!“ Sie küsste ihn auf die Wange, und schon wenige Minuten später war sie angezogen und auf dem Weg zu Cinderella.

Schülerin-Lehrer-Gespräch

Agnes war noch in der Bibliothek gewesen. Um die verlorene Zeit aufzuholen, musste sie sehr viel lesen und lernen. Es war bereits dunkel und ein leises Grollen kündete ein Gewitter an.

„Hey, Agnes,“ rief jemand hinter ihr, aber sie blieb nicht stehen. Sie hasste es, stehen zu bleiben. Sie hätte es genauso gut nicht hören können, das würde der Jemand sicher verstehen. Sie ging schneller, aber ihr Verfolger ließ sich nicht abschütteln.

„Agnes, bleiben Sie bitte stehen!“ Herr Dr. Breitner.

„Oh, ich… habe Sie nicht gehört,“ entschuldigte sie sich mit hochrotem Kopf.

„Sie sollten wirklich am Philisophiewettbewerb teilnehmen.
Es ist nur ein Essay, aber ich habe Ihre Protokolle und Aufzeichnungen gelesen, sie sind… genial!“

Agnes blickte verlegen zu Boden. „Ich will wirklich nicht…“
„Dass nehme ich als ein JA!“ Er strahlte und gab ihr die Hand „Auf eine gute Zusammenarbeit!“ und verschwand im Dunkel der Gässchen.


Das Team von gorizi.de bedankt sich ganz herzlich bei Honigfee für die schöne Geschichte.

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