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„Fräulein von Bernburg,“ lächelte die junge Frau auf der
anderen Seite des Tisches. Ich fühlte mich unbehaglich. Links und rechts war niemand zu sehen, der mich kannte, und eigentlich gab es keinen Grund, aber – “Du brauchst keine Angst zu haben, Fräulein von Bernburg, ich habe dazugelernt,“ lächelte sie. Sie lächelte eigentlich die ganze Zeit. „Ich wollte dir nur das geben, was ich dir zu sagen habe.“
Mit ihren Worten schob sie ihr Tagebüchlein über den Tisch. „Ich brauche es nicht mehr; ich habe gelernt, unglücklich zu sein.“

Ich nahm es verwundert an. „Manuela, du hast keinen Grund,
unglücklich zu sein, weißt du,“ setzte ich an, aber sie fiel mir ins Wort.
„Fräulein von Bernburg, ich habe meinen Weg gewählt.“ Sie stand auf und sah mich an. „Ich habe meinen Weg gewählt,“ wiederholte sie. „Und
manchmal beflügelt mich allein der Gedanke an dich und lässt mich vergessen, dass ‚Leben‘ nur ein Wort ist.“

Ich las es im Zug zurück in meine alte Heimat, weg von
Manuela, weg von den anderen Mädchen. Ich weinte, als ich von ihrem Tod erfuhr.

Sollte wirklich ich, Fräulein von Bernburg, dir geschadet
haben?

Ich, die dein Leben vor allem beschützen wollte?

Ich kann nicht glauben, was ich sehe,

Kann nicht begreifen, was ich tat.

Ich kann mir nicht helfen, und dir nicht,

Ich tat das Richtige – hätte doch alles andere

Uns zerstört.

Du meinst, nur ich habe uns zerstört?

Fräulein von Bernburg, wie kannst du nur?

Verrate nicht mich, verrate die Welt!

Ich bin nicht schuld an deiner misslichen Lage, das ist
allein die Welt,

Die es nicht verstehen kann, dass wir uns lieben.
Die Welt ist zu beschränkt, um zu erkennen, wer

Wir sind. Wir sind Romeo und Julia und darüber hinaus,

Die zwei Seelenverandten, die sich nicht lieben dürfen.

Die Zwei, deren Mut sie umbrachte.

Schmerzt nicht dein Herz beim Anblick meines Körpers,

Den ich verlassen habe?

Meine Seele liebt nichts mehr, als du mir

Nicht Aufwiedersehen sagtest.

Deine Augen weinten still Lebewohl, als ich

Dich

Ein letztes Mal sah. Ich bin jetzt an einem besseren Ort.

Wo der ist, fragst du dich sicher. Der ist dort, wo niemand
je war,

Wohin niemand je vordringen wird. Ich weile dort

Allein, ganz und gar einsam mit mir selbst,

Und warte darauf, dass der Herrgott

Dich von allen Zwängen befreit und

Zu mir sendet.
Der Ort ist fast in deinem Herzen,

Denn dir habe ich mich verschrieben.

Mein Körper taugt nicht,

Weder küssen noch leben will ich

Je wieder mit ihm.
Es war gut, dass ich ihn verlassen habe.

Jetzt kann ich fliegen, Romeo,

Und das sollte ich können,

Weil du nicht mehr kommen wirst,

Wenn ich das nächste Mal springe.

Ich werde springen, weil ich weiß,

Dass ich bei dir landen werde.

Das beruhigt mich wirklich.

Fräulein von Bernburg.

Das ist so warm.

So schön warm.

Ich liebe dich.

Elisabeth.

Dich.


Diese Fanficition wurde eingereicht von Honigfee.